Den „Götterfunken“ von 1989 wieder anfachen! (Oktober 2014)

Jan Vogler erhält am 26. Oktober in München den ECHO Klassik als Instrumentalsolist des Jahres. Gemeinsam mit den anderen Preisträgern fordert er in einem Aufruf das Publikum und die Politiker in aller Welt auf, die Werte des humanistischen Erbes zu verteidigen:

Aufruf der ECHO Klassik-Preisträger 2014 – „Im Geiste der Musik„:

In der Welt der Musik hat sich in den letzten Jahrzehnten eine globale Gesellschaft gebildet. In immer mehr Ländern wird klassische Musik gehört und gespielt, heute gibt es in fast jedem Land der Erde Menschen, die sich zu dem kulturellen Erbe von Bach bis Schostakowitsch hingezogen fühlen. Talente werden in allen Teilen der Welt entdeckt und gefördert, unsere Musiker-Weltgemeinschaft wird immer internationaler.

Mit dem Fall der Berliner Mauer 1989 brach die letzte Trennung der Musikwelt in Ost und West zusammen, heute spielen in fast jedem Orchester der Erde Musiker aus Nord- und Südamerika, Europa und Asien zusammen. Jede Opernbesetzung und Kammermusikgruppe ist international besetzt, in Weltmusik und Crossover fließen Spuren aller Kulturen zusammen.

Wir haben ganz selbstverständlich gelernt, dass jeder Musiker mit seiner eigenen kulturellen, gesellschaftlichen Geschichte und Weltanschauung in die tägliche musikalische Begegnung geht. Toleranz, Sensibilität, Verständigung und Freundschaft unter den Musikern entwickelten sich völlig natürlich. Wir haben uns, nach dem spärlichen Kulturaustausch in den Zeiten des Kalten Krieges, in eine komplett freiheitliche Musikwelt hineingelebt, in der wir die Freiheit nicht einmal mehr wahrnehmen – sie ist wie die Luft zum Atmen einfach da.

Umso offensichtlicher und schmerzlicher ist uns bewusst, dass diese ideale Weltgemeinschaft sich nicht in der internationalen Staatengemeinschaft und im Umgang der Staaten untereinander spiegelt. Politische Spannungen werfen selbst in Europa sichtbar Schatten des Gespensts des Krieges in unseren Alltag. In vielen Ländern der Erde werden Menschenrechte und demokratische Grundrechte unterdrückt, Menschen werden wegen ihrer Hautfarbe, Religion, ihrer politischen Meinung oder aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgt.

Der Geist der Verbrüderung der Menschen, der vor 25 Jahren wie ein „Götterfunke“ um den Erdball flog, hat sich nicht gehalten. Der Verlust von Grundwerten wie Toleranz und Verständigung unter den Menschen schreitet in der Welt mit erschreckendem Tempo voran. In Kriegen sterben unschuldige Menschen, Nationalismus, Intoleranz, Konfrontation, Unterdrückung, Gewalt, Hass und Vergeltung keimen auf.

Die Musik und ihre universelle Sprache fördert die Sensibilität unter Menschen, sie baut Brücken zwischen den Kulturen und fördert den respektvollen Umgang der Menschen untereinander. Und doch ist auch die Musik mit ihrer Kraft am Ende, wenn die Menschenrechte mit Füßen getreten werden. Konfuzius sagt dazu: „Ein Mensch ohne Menschlichkeit, was hilft dem die Musik?“

Wir appellieren an unser Publikum, alle Politiker und Entscheidungsträger in der Welt und an alle Menschen, die Werte des humanistischen Erbes und der Musik auch im Leben zu verteidigen und zu leben. Für Menschlichkeit, Gerechtigkeit, Toleranz und Verständigung einzutreten und die Freude an einem Leben mit diesen Grundwerten täglich zu vermitteln. Möge der „Götterfunke“ von 1989 wieder angefacht werden und diesmal seinen weltweiten Siegeszug antreten. Kämpfen wir darum, dass die Menschen in Freundschaft, gegenseitigem Respekt und Achtung zusammenleben.

Die ECHO Klassik Preisträger 2014 Anna Netrebko | Piotr Beczala | Diana Damrau | Tabea Zimmermann | Ian Bostridge | Marc-André Hamelin | Frank Peter Zimmermann | Anne-Sophie Mutter | Manfred Honeck | dogma chamber orchestra/Mikhail Gurewitsch | Sumi Jo | Trio Image | David Geringas | Helbling Verlag | Malte Arkona | Juri Tetzlaff | Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz | Robert von Bahr | Masaaki Suzuki | Pablo Heras-Casado | René Jacobs



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